Grundeinkommen und Berufsgruppen

Datum: 2020-04-04 08:43
Tags: Grundeinkommen, Berufsverbände, Einkommen, Motivation, Arbeit, Berufe

Vor lauter Wut, kann schon jemand gegen die Wand knallen. Einfach, weil nicht das gezahlt wird, was derjenige sich vorstellt. Die Menschen haben teilweise die Erwartung, dass die Umwelt dieses und jenes Tun, in bestimmter Weise bezahlen soll.

Aber vielleicht ist die Aufregung gar nicht angebracht. Und das Bedingungslose Grundeinkommen bringt in dieser Hinsicht nicht die befürchteten Veränderungen.

Gerade die systemrelevanten Berufe sind ja nicht nur eine private Einkommensquelle, sondern meistens auch von großer gesellschaftlicher Bedeutung. - Diese Arbeit wird recht oft öffentlich besprochen und Vertreter der Berufsgruppen sollen sich für diese oder jene Fragestellung zu Wort melden. Und dann haben wir noch die Berufsverbände, die eigentlich ebenfalls die Aufgabe haben, in der Öffentlichkeit und gegenüber dem Staat und den Bürgern, die Position der Berufstätigen zu vertreten und die Bedeutung deren Arbeit zu beschreiben.

Interessant dabei ist, dass die Berufsgruppen, die mit ihrer Arbeit durchaus eine Wirkung auf die Verfassung von Menschengemeinschaften haben, seit Jahren eher peinlichst schweigen, zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE). Das ist umso verwunderlicher, da sie oft mit ihrer Arbeit die Lebenssituation der Menschen verbessern sollen, die körperliche, seelische Befindlichkeit stabilisieren möchten und eine Steigerung der Lebensqualität bei ihren Patienten und Klienten zu erreichen beabsichtigen.

Warum nun, schweigen diese Berufsgruppen und Berufsverbände zum Bedingungslosen Grundeinkommen? - Denn es ist im Grunde genommen offensichtlich, dass durch ein BGE auch die Situation der Bürger sich verbessert, mit denen die Berufstätigen jeden Tag zu tun haben.

Aber Berufstätige oder systemrelevante Personen, tauchen dann in der Öffentlichkeit auf, wenn sie wütend darauf hingewiesen, das eigene Einkommen sei zu niedrig und man arbeite so viel für die Gemeinschaft und es sei unglaublich, wie schlecht man da bezahlt wird.

Dies erinnert an etwas anderes, was in Gemeinschaften immer wieder zum Tragen kommt.

Wer Mitglied in einem Verein ist oder dort tätig war, hat das selbst schon erlebt. - Jeder Verein, jede Menschenverbindung, Gruppe hat meistens regelmäßig wiederkehrende Tätigkeiten, Abläufe, Vorgänge, die es zu handhaben gilt. Sei es die Organisation von Zusammenkünften, die Pflege einer Teilnehmerkartei, das Aufschließen und Zuschließen von Räumlichkeiten und die Verwahrung von Unterlagen zum Beispiel.

Es ist dann sinnvoll, dass von den Teilnehmern einige sich bereiterklären, diese Aufgaben zu übernehmen. Die Leute, die sich dann melden, werden in größeren Zusammenhängen dann Funktionäre oder Verwalter genannt. Sie sind von der Gemeinschaft beauftragt, für diese bestimmte Tätigkeiten zu erledigen. - Wir haben dann zwei Typen von Funktionären. Und das wird meistens erst im Laufe der Zeit deutlich und nicht gleich am Anfang, wenn Leute sich bereiterklären, Aufgaben zu übernehmen.

Die einen machen ehrenamtlich ihre Arbeit und erledigen die ihnen aufgetragenen und freiwillig übernommenen Tätigkeiten. Das war es! – Und dann gibt es welche, die dadurch auffallen, dass sie ständig davon sprechen, was sie jetzt schon wieder für die Gemeinschaft gemacht haben, und das sie viel mehr arbeiten als andere und das ihre Arbeit qualitativ besser ist, als die der anderen. Und sie machen ständig einen Wind um ihr eigenes Tun, wie wichtig sie seien und dann schreien sie regelrecht, wie wichtig sie seien. Und irgendwann schreien sie, sie bekämen noch nicht einmal eine angemessene Anerkennung von der Gemeinschaft. Und das sei unmöglich, wo die anderen sich einfach nur bedienen lassen und noch nicht einmal eine angemessene Anerkennung für die Leistung der Arbeitenden geben.

Während also die einen Arbeitenden ruhig und leise einfach ihre Arbeit machen, ehrenamtlich, schreien die anderen ganz laut in Richtung Teilnehmer, sie bekämen keine angemessene Anerkennung. - Und beide erledigen dieselbe Arbeit.

Durch diese Situation gerät die Gemeinschaft unter Druck, zu reagieren. Was soll sie tun? Sie hat zwar die Ehrenamtlichen, die ruhig ihre Arbeit verrichten und womöglich keine Forderungen nach Anerkennung in irgendeiner Art stellen, aber sie hat genauso die anderen, die lauthals gegenüber der Gemeinschaft Forderungen stellen, aber dasselbe arbeiten, wie die Ehrenamtlichen.

Diese Situation lässt sich nicht ohne weiteres klären. - Zwar hat es etwas Freches, auf die eigene Wichtigkeit hinzuweisen, andererseits sind diese Personen immerhin aktiv im Einsatz für die Gemeinschaft, während vielleicht andere gar nicht daran denken, für die Gruppe in irgendeiner Weise zu arbeiten. Selbst wenn die Letzteren es dabei nicht böse meinen.

So haben wir zwar in der Gesellschaft Personen, die für die Gemeinschaft arbeiten und oft mit hoher Qualität, aber sie wirken dabei nicht selten arrogant, überheblich und selbstbezogen.

Hinzu kommt noch etwas anderes. - So, wie manche Menschen unbedarft, blauäugig oder nur gutmütig in Institutionen und Organisationen gehen und dort Mitglied werden, so können andere dies ganz bewusst, gezielt und mit Absicht machen. Es ist nicht nur pure Nächstenliebe und Altruismus, wenn sich Menschen bereiterklären, für Gemeinschaften zu arbeiten und Funktionen zu übernehmen.

Denn wer in Organisationen an den Schalthebeln sitzt, übt letztlich Macht aus.

Und manche Menschen haben einen Instinkt dafür und sind sich sehr wohl dessen bewusst, wenn sie Aufgaben in Organisationen und Gruppen übernehmen, dass sie damit auch die Möglichkeit erwerben, Macht auszuüben, auf diese Organisationen und die damit verknüpften Menschen. Und was noch viel wichtiger sein kann, für sich selbst und für die eigenen privaten Interessen die Organisationen zu gestalten und zu beeinflussen. - Das ist dann Lobbyismus von innen.

Die scheinbar altruistische Haltung kann in Wirklichkeit scharfe Berechnung sein, um Vorteile mit der eigenen Arbeit erzielen zu können.

Wir haben somit bei allen Tätigkeiten in Gruppen, Gesellschaften und Organisationen, die Möglichkeit, sowohl selbstlos und ehrenamtlich zu wirken und wir haben die Möglichkeit berechnend und egoistisch uns zu orientieren.

Wobei damit nicht unbedingt ein Vorwurf verknüpft ist. Denn heute gilt bei manchen bereits die Absicht, sich selbst zu erhalten, als egoistisch. Was natürlich Unfug ist. Aber solange wir nicht bewusst füreinander die Existenzsicherung bereitstellen, muss natürlich jeder für sich selbst denken und sich selbst retten und am Leben erhalten. - Und das wird dann zuweilen als Egoismus denunziert.

Somit haben die Berufsgruppen und Berufsvertreter mehrere Möglichkeiten, wie sie sich selbst in die Gesellschaft einbringen. Sie können laut schreien, wie wichtig sie seien und dass sie endlich mehr Geld verdient haben, oder sie können sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen, welches allen die Existenz sichert und den berechtigten Egoismus in einer Hinsicht beendet.

So haben wir das teilweise eisige Schweigen zum Bedingungslosen Grundeinkommen bei manchen Berufsvertretern und das teilweise vorhandene lauthalse Schreien, nach mehr Geld für die eigene Arbeit.

Als der Euro eingeführt wurde, hatten manche Menschen die Befürchtung, bei der Umstellung kämen falsche Preise zustande, die die eigene Kaufkraft und den Wert der eigenen Arbeit negativ beeinflussen. Tatsächlich pendelte sich alles so ein, dass mit dem Euro auch wieder die angemessenen und richtigen Preise für die Güter und Dienstleistungen zustande kamen.

Menschen mit einer guten Ausbildung, sind nicht selten ebenso mit einem gewissen Ehrgeiz ausgestattet, bestimmte Ziele zu erreichen. - In den Köpfen dieser Menschen ist die Kopplung von Arbeit (Leistung) und Einkommen (Versorgung) sehr stark entwickelt. Sie wollen Leistung bringen, um einen Effekt zu erzielen. Bekommen sie von der Gesellschaft signalisiert, dass das nicht mehr möglich ist, bricht ihre Motivation stark ein, überhaupt noch Leistung zu zeigen.

So, wie wir jahrzehntelang in einer Gesellschaft lebten, in der der Zusammenhang von Leistung und Wohlstand wie festgeschrieben schien, so scheint die heutige Gesellschaft genau diesen Zusammenhang immer stärker aufzuheben. Dies nagt am Selbstverständnis vieler Berufstätigen. - Sie fühlen sich entwertet.

Das Bedingungslose Grundeinkommen erleben sie nicht als Ausweg oder Vorteil, sondern als konsequente Fortsetzung auf diesem aus ihrer Sicht unheilvollen Weg der Entwertung von Leistung und Leistungsanerkennung. - Deswegen lehnen sie das Bedingungslose Grundeinkommen ab.

So haben wir gerade bei den systemrelevanten Berufsgruppen eher keine oder nur geringe Zustimmung zum BGE, weil sie mit dieser Idee die Entwertung der Leistungsgesellschaft verbinden.

Aber so, wie der Euro zwar die D-Mark ablöste und dennoch nicht den Wert des Geldes negativ beeinflusste, so wird es auch mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen sein, wenn dieses sich als Markenzeichen für eine neue Gesellschaftsgestaltung durchsetzt.

Der Egoismus bei uns Menschen, sofern er begreiflich ist, als Selbsterhaltungsreaktion, wird mit einem BGE ein Stück weit in den Hintergrund treten. - Statt, dass wir auf unsere eigene Bedeutung extra immer wieder hinweisen müssen und Forderungen an andere stellen, diese anzuerkennen, ist es doch so, dass wir in der Lebenspraxis sehr wohl wahrnehmen, wenn Menschen Außerordentliches leisten und wir sind fähig, zu unterscheiden, welche Leistungen und Verhaltensweisen von besonderer Bedeutung sind.

Wenn wir Menschen insgesamt sensibler werden, für die Beiträge unserer Mitmenschen, können wir sicher zu einer angemessenen Bewertung der Leistung anderer gelangen. Aber die Leistungsträger müssen es sich dann gefallen lassen, dass die Mitmenschen ihre Leistung bewerten, im gesellschaftlichen Kontext.

Ob der Leistungsgedanke durch die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens abgeschwächt wird, ist nicht sicher. - Es ist eher das Gegenteil zu vermuten. Der alte Leistungsgedanke, der heute noch in vielen am Wirken ist, verknüpft wohl Leistung ein Stück weit mit Zwang. Der Zwang, sich anzustrengen, zu lernen, Vokabeln zu büffeln, Prüfungen zu bestehen, Ansprüchen zu genügen. Und manche Menschen glauben, ohne diesen Zwang würde keine Leistung zustandekommen.

Aber mit einem BGE käme mehr Freiheit ins Spiel. Mehr Freiheit statt Zwang. Ist Freiheit ein Motivator mit ähnlicher Wirkung, wie Zwang?

Es besteht die Vermutung, dass durch ein BGE die Bereitschaft zu arbeiten, sich zu engagieren, eigenaktiv tätig zu werden, geradezu explodieren wird, im Vergleich zu heute. - Die Orientierung am Zwang hat immer etwas Düsteres, Unmenschliches, Bedrückendes.

Es ist anzunehmen, dass die Freiheit, die durch ein BGE erreicht wird, eine gesunde Wirkung auf den Menschen hat. Und dass die Leistungen, die in einem solchen Umfeld zur Wirkung kommen, eine ganz andere innere Basis haben, als die alten Leistungsträger es verkörpern.

Sodass das Leistungerbringen als eher inhumanes Bemühen, ein mehr menschliches Gesicht bekommt.


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