Wie ist ein BGE einzuschätzen - Podcast

Datum: 2020-06-23 20:04
Tags: Grundeinkommen, Arbeit, Podcast, Einkommen, Motivation, Finanzierung

#2 - Bedingungsloses Grundeinkommen zu Corona Zeiten - ist das eine gute Idee?

Insgesamt erfrischender und gelungener Podcast zum BGE.

Bei der Frage, warum ein BGE sinnvoll wäre, kommt der Hinweis, keine Armut mehr, keine Existenzängste und es ist genug für alle da. Wir müssen es nur richtig verteilen.

Das Grundeinkommen mache keinen großen Unterschied und hätte keinen großen Effekt, sagt der Herr in der Gesprächsrunde. - Die hinzukommenden Freiheiten mit einem BGE, sind aber enorm. Ist das nicht immer vorstellbar? Zum Beispiel, dass genau um diesen Betrag die Abhängigkeit von anderen Leuten sinkt. Das ist eigentlich enorm. Und wenn genau dieser Betrag auch noch die komplette Existenzsicherung garantiert, jeden Monat, schafft das doch ein Freiheitspotenzial?

In der Einleitung des Podcast wird auch nur über das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) gesprochen und nicht über die aktuell im Land bestehenden Verhältnisse. Das ist seltsam. Denn das BGE ist kein Sahnehäubchen auf eine an sich bestens funktionierende staatliche Ordnung.

Man könnte auch sagen, es geht in der Gesellschaft überhaupt nicht um das BGE. Thema in der Gesellschaft sind die empörenden und unverschämten Hartz4-Regeln. Diese müssen umgehend abgeschafft werden. Egal, ob hernach ein BGE eingeführt wird oder was auch immer. - Was natürlich bei vielen Menschen ein müdes Lächeln hervorruft, nach 15 Jahren Unrechtsregime.

Hartz4 ist eine grundrechtsverletzende Gesetzesgestaltung. Es ist unglaublich, dass ein Gericht, welches extra für solche Fälle geschaffen wurde, das Bundesverfassungsgericht, bis heute die Hartz4-Machenschaften duldet. Würde das Gericht seine eigentlich vorgesehene Rolle in der Gesellschaft erfüllen, hätten die Richter schon längst die Hartz4-Gesetze einkassieren müssen, weil die Grundrechte der Bürger mit diesen Gesetzen außer Kraft gesetzt werden. – Aber es scheint, Justitia hat die Augenbinde auf und sieht nichts?

Doch dieses heiße Eisen ist nicht Thema in diesem Podcast, der von Frau Weihua Wang ansprechend gestaltet wird.

Weihua Wang

Die Gesprächsleiterin spricht von 1000 Euro mehr. Ist das so richtig?

Die Teilnehmer der Gesprächsrunde bringen scheinbar bereits vorgebildete Vorstellungen vom Bedingungslosen Grundeinkommen mit, die in dem Podcast nicht größer vorgestellt werden. Denn bei Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommen könnte der Grundeinkommen-Betrag mit bestehenden Einkommen einmalig verrechnet werden. - Aber scheinbar stellt sie sich das anders vor.

In den Podcast wurden womöglich Personen eingeladen, die gar kein Grundeinkommen brauchen. Und die außerdem der Meinung sind, dass das BGE nicht viel verändern würde. Und da der eigentliche Grund, ein BGE einzuführen, nicht besprochen wird, nämlich das Hartz4-Unrecht, ist ein bisschen die Luft raus, aus diesem Gespräch. Oder? – Nicht unbedingt.

Bei dem Herrn, der in der Gesprächsrunde dabei ist, könnte eingewandt werden, warum er an dem Gespräch überhaupt teilnimmt. Scheinbar hat er nicht viel zu sagen, zu dem Thema BGE. Berührt ihn das Thema? Da stellt sich die Frage, wie werden Teilnehmer für einen Podcast überhaupt ausgewählt. – So sind es in erster Linie die beiden Frauen, die sich umfangreich zum Grundeinkommen äußern.

Was ist Lebensleistung? Die Teilnehmerin bringt zurecht diesen Einwand.

Leistung steht im Zusammenhang mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen gerade nicht im Vordergrund. Warum?

Die Existenzsicherung brauchen alle Menschen. Auf diesem basalen Niveau, können wir nicht von Leistung oder gar Leistungsunterschieden sprechen, wenn wir die Versorgung der Menschen in einer Gesellschaft im Blick haben.

Etwas anderes ist es, wenn wir im Beruf stehen, einen Job mit Interesse ausfüllen und wir in einem Team uns mit unseren Möglichkeiten präsentieren und die eigenen Qualitäten zeigen. - Da ist es berechtigt, auf Leistungsunterschiede hinzuweisen.

Aber bei der Verteilung der Grundversorgung, sollten wir allen Menschen das Nötige zugestehen und der Leistungsbegriff, als Maßstab für ein Anrecht auf Grundversorgung, hat dort nichts zu suchen und wäre nicht berechtigt.

Das Bedingungslose Grundeinkommen und die unterschiedliche Leistung und Leistungsfähigkeit der Leute, sollten deshalb getrennt werden. – In der heutigen Arbeitsgesellschaft ist es so, dass alle Menschen und auch die in den prekärsten sozialen Verhältnissen, immer noch unter Leistungsaspekten bewertet und behandelt werden, etwa wenn sie in den Behörden sich präsentieren sollen und die Antragshürden der Verwaltungen bestehen müssen. Sodass der Leistungsbegriff in der Arbeitsgesellschaft etwas gnadenloses an sich hat und das Leistungsdenken durch diese Gnadenlosigkeit auch ein Stück weit wieder entwertet wird.

Denn wie soll man die Leistungsfähigen anerkennen, wenn es keinen Bereich im gesellschaftlichen Leben gibt, in dem einzig die Menschlichkeit gilt? - Leistung kann nur dann anerkannt und gefeiert werden, wenn wir sie nicht über alles stellen. Eine menschliche Gesellschaft muss sich beweisen. Und dazu gehört die Existenzsicherung ohne Wenn und Aber, für alle Menschen, ohne Leistungsnachweis.

Warum schlägt sich die eingesparte Arbeit, durch Automatisierung, Rationalisierung und Digitalisierung, nicht in unserer Lebenszeit nieder? Ein wichtiger Hinweis der Studentin. - Warum haben wir keinen Vorteil von dieser Entwicklung.

Die Zeitersparnis ist nicht spürbar. Das kommt daher, weil uns noch das Bedingungslose Grundeinkommen fehlt. Ohne das BGE soll heute jeder Vollzeit arbeiten und wenn die Arbeit noch so dröge und sinnlos ist, damit ein ausreichendes Einkommen zustandekommt. - Deshalb sind die Leute auch entweder mit Arbeit überlastet und machen Überstunden, oder sie haben gar keine Arbeit und ein schlechtes Gewissen deshalb.

Mit einem bGE wäre es endlich möglich, überwiegend Teilzeit zu arbeiten.

Denn die wichtigsten Ausgaben wären gedeckt, mit dem Grundeinkommen und ein bisschen hinzuverdienen, mit einem Job, wäre dann kein Problem. Daran ist zu erkennen, wie dringend wir ein BGE brauchen.

Geht uns die Arbeit aus? Wichtig ist es, dass wir frei sind, selbst zu entscheiden, mit was wir uns beschäftigen wollen. Heute haben wir mit Hartz4 ein Bedrohungsregime, bei dem der Staat den Leuten nahelegen will, sie sollen irgendwas arbeiten. – So geht das jedenfalls nicht.

Deswegen sind die Fragen nach der Arbeit, ihrem Sinn und ob sie uns erhalten bleibt, eigentlich nebensächlich, im Vergleich mit der viel wichtigeren Frage, haben wir ein Gemeinwesen, in dem die Grundrechte von den staatlichen Organen geachtet werden. – Das muss auf alle Fälle garantiert sein. Und das ist momentan nicht der Fall.

Das Bedingungslose Grundeinkommen ist womöglich eine Herausforderung. Aber eine ganz andere, als heute Hartz4 eine Herausforderung ist. An Hartz4 gehen Menschen zugrunde. Beispiele dafür gibt es. Hartz4 ist ein würdeloses System, bei dem man sich fragen muss, was die Erfinder dieses Sozialsystems sich eigentlich dabei gedacht haben. - Menschenfreunde waren das nicht unbedingt.

Deshalb ist die Frage, ob Menschen mit einem BGE überfordert wären, eher hypothetisch. – Wer ist von einer menschlichen Gesellschaft überfordert?

Wenn durch ein BGE in der Altenpflege die Löhne steigen, kann man sich vielleicht nicht mehr diese Arbeit leisten und muss die Eltern selber pflegen? Das gilt ja unabhängig von dem BGE und auch schon heute, dass ein Preis für irgendwas bezahlbar sein muss.

Es nützt nichts, dass Berufsgruppen auf den Wert der eigenen Arbeit hinweisen, wenn sie von den Bürgern einen Geldbetrag verlangen würden, den diese nicht bezahlen wollen oder können. - Deswegen fehlt in der Grundeinkommen-Diskussion bei der Frage, was ändert sich nach Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens, oft der Hinweis, dass man natürlich auch für weniger Lohn arbeiten kann, wenn man das will. Es wäre ja dem einzelnen Menschen überlassen, wie er das für sich selbst regelt. Nicht alles, was Arbeitseinkommen betrifft, muss vermittelt über die Gewerkschaften geregelt sein. In der Grundeinkommensgesellschaft kann jeder für sich selbst mit Arbeitsanbietern aushandeln, wie eine Zusammenarbeit in einem Team zustande kommt.

Wer eine Arbeit gerne macht, ist nicht dazu gezwungen, für ein hohes Gehalt zu arbeiten. Jemand kann auch zu einem niedrigen Gehalt arbeiten. Das ist eine freie Entscheidung. Es muss ja immer mitberücksichtigt werden, dass im Hintergrund das BGE vorhanden ist. – Theoretisch könnte jemand auch arbeiten, in einem Projekt, ohne Lohn.

Ein guter Hinweis der Studentin: alle müssen würdevoll dastehen, in der Rolle, die sie jeweils in der Gesellschaft einnehmen. Als Arbeitende, als Kunden, Patienten oder Betreute, etc.

Nur wer einen Beitrag für die Gesellschaft leistet, hat ein Anrecht auf Einkommen? – Aber wer leistet einen Beitrag für die Gesellschaft? Dies ist nicht festgelegt. Und nicht der, der arbeitet, bestimmt das alleine, sondern alle anderen in der Gesellschaft auch. Die Teilnehmerin erwähnt zurecht die Fragwürdigkeit mancher Einkommen und Leistungen, ob sie überhaupt zum Gemeinwohl beitragen.

Vielleicht schaden viele Industrien und Branchen der Umwelt und den Menschen mehr, als das sie nützen. - Warum haben die dort Tätigen dann Einkommen?

Der Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Grundeinkommen ist sehr groß. – Das hängt mit dem Arbeitszwang zusammen, der leider in dem Gespräch keine große Rolle spielte. Wer zur Arbeit gezwungen ist, verbraucht Ressourcen. Da den Jobcenter egal ist, was die Leute arbeiten, Hauptsache ihr Tun bringt Geld, kann das zu sinnlosem Ressourcenverbrauch führen, damit Leute über Erwerbsarbeit Einkommen haben und damit das System Arbeitsgesellschaft nach außen hin funktioniert. – Die Arbeitsgesellschaft ist eine Hauptursache für den Klimawandel, weil in diesem System sinnlos gearbeitet wird. Sinnvoll würden wir arbeiten, wenn die Entscheidung über eine Arbeitsaufnahme den einzelnen Menschen überlassen wird. – Niemand wird freiwillig seine Lebensenergie für etwas Sinnloses verplempern. Und wenn doch, dann ist das eher die Ausnahme.

Bei der Finanzierung bringt Frau Wang die Sozialausgaben ins Spiel und sie meint, wenn wir die stemmen können und ein BGE ist in etwa als Geldbetrag gleich hoch, dann sollten wir das auch schaffen. – Da hat sie einerseits recht, aber es bringt dann die Grundeinkommen-Gegner ins Spiel, die schnell anmerken werden, dass dann entweder die Sozialausgaben möglich wären oder ein BGE. Und nicht beides gleichzeitig.

Auch bei diesem Gespräch fällt wieder auf, dass zuwenig der Bezugsrahmen für die Grundeinkommensrechnung berücksichtigt wird. - Denn es ist eigentlich nicht richtig, einen alten Ausgabenposten zu einem neuen Ausgabenposten ins Verhältnis zu stellen, bei der Frage, ob diese Ausgabe überhaupt möglich ist. Wer seinen eigenen Haushalt führt, müsste eigentlich das so machen, immer Ausgaben mit den Gesamteinnahmen ins Verhältnis zu bringen. Und so wie im Privaten, ist es auch bei den öffentlichen Ausgaben. Sie müssen immer mit den Gesamteinnahmen verglichen werden. Und was sind die Gesamteinnahmen? Das ist das BIP. Die Wertschöpfung des Landes, in dem man lebt.

Für den Umbau der Sozialsysteme besteht ein riesen Bedarf und Hartz4 ist unwürdig. Anzustreben ist: Keine Armut, Existenzängste und sich gegenseitig mit Wertschätzung behandeln. – Ja, das stimmt. In diese Richtung sollten wir Bürgerinnen und Bürger uns engagieren.


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